SORA Schritt 3: Finales Bodenrisiko – Final Ground Risk Class (GRC)

Mario Marek Von Mario Marek 5 Min. Lesen

In diesem Artikel erfährst du alles über das finale Bodenrisiko, Final Ground Risk Class (GRC), im Zusammenhang mit SORA.

Im vorigen Artikel haben wir uns eine wesentliche Komponente der Risikoanalyse für Drohnen angesehen. Sie ist aus mehrerlei Hinsicht spannend für die Luftfahrt, da sie zur umfassenden Risikoanalyse für die geplante Drohnenmission beiträgt und zusätzlich zu den luftfahrtrechtlichen Vorgaben speziell unbeteiligte Personen berücksichtigt. Zur Wiederholung hier noch einmal die Einflussfaktoren für die Ermittlung des initialen Bodenrisikos:

  • Flugroute und die dort gefährdeten Personen
  • Verwendete Drohne und ihre Eigenschaften
  • Betriebsart (VLOS/BVLOS)

Möchte man also mit einer großen und schweren Drohne über besiedeltes Gebiet oder gar über Menschenansammlungen außerhalb der Sichtweite fliegen, fällt das initiale Bodenrisiko dementsprechend hoch aus. Da sich ein hohes Bodenrisiko direkt auf das SAIL und somit auf die zu erfüllenden Sicherheitsziele auswirkt (Spoiler! Dies betrifft Verantwortlichkeiten und Anforderungen an den Betreiber, Drohne und Verfahren – dazu später mehr), möchte man dieses aber so gering wie möglich halten.

Wenn dies mit den obengenannten Stellschrauben nicht mehr bewerkstelligt werden kann, können Mitigationen (Risikominderungen) angewandt werden. Der vorwiegend im Englischen verwendete Begriff wird so auch gerne im Deutschen verwendet und bezeichnet in SORA 2.0 drei Möglichkeiten, das Bodenrisiko der Drohnenoperation abzumildern:

  1. M1 – Strategische Minderungen des Bodenrisikos
  2. M2 – Aufpralleffekte werden reduziert
  3. M3 – Ein Emergency Response Plan (ERP) ist vorhanden, ist UAS-Betreiber validiert und effektiv

M1 – Strategische Minderungen des Bodenrisikos

Ziel dieser Mitigation ist, die Anzahl der gefährdeten Personen am Boden zu verringern. Um die Integrität von M1-Minderungsmaßnahmen zu beurteilen, müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  1. die Definition eines Risikopuffers am Boden (Ground Risk Buffer) und der sich daraus ergebende Fußabdruck am Boden; und
  2. die Bewertung der gefährdeten Personen.

1. Bodenrisikopuffer (engl. Ground Risk Buffer, GRB)

Die Festlegung eines Risikopuffers am Boden in seiner konservativsten Form kennen alle Open Kategorie Piloten als die 1:1-Regel die besagt, dass die Flughöhe mindestens dem Bodenrisikopuffer entsprechen muss, der horizontal zu unbeteiligten Personen eingehalten werden muss. Wenn der Betrieb des UAS also in einer Höhe von 120 m geplant ist, sollte der Bodenrisikopuffer mindestens 120 m betragen.

Die Flughöhe sollte aber bereits das Contingency Volume beinhalten – das Volumen des Betriebsvolumens, das für Manöver herangezogen wird, die die Drohne aufgrund von technischen oder anderen Fehlern aus der Fluggeometrie führen können, aber als oberstes Ziel haben, die Operation wieder in die Fluggeometrie zu führen bzw. ultimativ um die Operation stets unter Kontrolle zu halten.

ℹ️ Wusstest du, dass wingman je nach verwendeter Drohne noch weitere Möglichkeiten aufzeigt den Bodenrisikopuffer automatisch aus den missionsspezifischen eingegeben Daten zu berechnen (und zu reduzieren!) und die Bodenrisikoklasse dafür analysiert?

Wusstest du, dass die Verwendung von wingman die M1 Mitigation mit mittlerer Robustheit erfüllen kann?

Spezialfall verkabelte Drohne “Tethered”

Sollte eine verkabelte Drohne verwendet werden, müssen stattdessen jeweilige spezifische Minderungsmaßnahmen angegeben und nachgewiesen werden.

2. Bewertung der gefährdeten Personen

Das zweite Kriterium für die Erfüllung der M1 Mitigation betrifft die Evaluierung der gefährdeten Personen. Aufmerksame Leser werden sich bereits bei der Tabelle und Ermittlung des initialen Bodenrisikos gefragt haben, wie man wenig besiedelte Gebiete “sparsely” von besiedelten Gebieten “populated areas” unterscheidet.

Für die SORA wird besiedeltes Gebiet mit “congested area” aus Regulation (EU) No 965/2012 (the ‘Air Operations Regulation’) gleichgesetzt: “in Bezug auf eine Stadt, einen Ort oder eine Siedlung jedes Gebiet, das im Wesentlichen für Wohn-, Gewerbe- oder Erholungszwecke genutzt wird”.

Diese Definition ist qualitativ, da sie sich nicht auf konkrete Bevölkerungszahlen oder -dichte bezieht. Zieht man diese nun für die SORA heran, kann man nicht von vornherein von einem wenig besiedelten Gebiet ausgehen. Kann man jedoch mit einer konkreten Anzahl (also quantitativ) evaluieren, wie viele Personen in einem Gebiet tatsächlich gefährdet sind, kann man das Bodenrisiko entsprechend anpassen und auf wenig besiedelt oder geschützte Personen “sheltered” plädieren. Dies stellt die Mitigation dar.

ℹ️ Wusstest du, dass wingman die Bewertung von gefährdeten Personen aus aktuellen Bevölkerungsdichtedaten berechnet und sogar dynamische Daten berücksichtigen kann? Dies bietet eine einfache Möglichkeit, das tatsächliche Risiko von Drohneneinsätzen zu analysieren und unmöglich erscheinende Einsätze durch die Anwendung von M1 Mitigation möglich zu machen.

Auswirkung auf die initiale Bodenrisikoklasse

Wenn diese beiden strategischen Maßnahmen deklariert werden können (d.h. wenn ihre sorgfältige Durchführung und Einhaltung gegenüber der Behörde nachgewiesen werden kann), kann das Bodenrisiko in der entsprechenden Spalte um einen Punkt reduziert werden, jedoch nur bis zum ersten und niedrigsten Wert der entsprechenden Spalte, da ein “kontrollierter Bodenbereich”, d.h. ein Bereich, in dem sichergestellt werden kann, dass sich keine unbeteiligten Personen aufhalten, das geringste Bodenrisiko darstellt.

Für eine mittlere Robustheit der Mitigation und eine Reduktion um zwei Punkte müssen beim Bodenrisikopuffer die technischen Eigenschaften der Drohne berücksichtigt und statische Bevölkerungsdaten für die Abschätzung der gefährdeten Personen verwendet werden, was durch Dokumentation und Tests oder ähnliche Mittel nachgewiesen werden muss. Für die höchste Stufe der Robustheit führt der Weg unweigerlich zur Validierung bei der EASA oder einer kompetenten dritten Stelle.

⚠️ Wendet man die M1 Mitigation in besiedeltem Gebiet an um das Bodenrisiko zu reduzieren, löst man eine höhere Anforderung an die Sicherstellung der Eingrenzung der Operation aus: “enhanced containment”. Dies hat höhere (technische) Anforderungen an die Drohne als Konsequenz.

M2 – Aufpralleffekte werden reduziert

Eine weitere Mitigation zur Reduktion des Bodenrisikos stellen Vorrichtungen dar, die die Energie der abstürzenden Drohne beim Aufprall auf den Boden nach einem Verlust der Kontrolle über den Betrieb reduzieren. Ein Beispiel hierfür ist ein Fallschirmsystem. Dabei ist zu beachten, dass erst ab einer mittleren Robustheit eine Reduktion des Bodenrisikos um einen Punkt erreicht werden kann. Für diese Art der Mitigation wurden eigene Richtlinien veröffentlicht, in denen die notwendigen Anforderungen aufgelistet sind.

Aufpralleffekt, Symbolbild

⚠️ Mit der grundsätzlich positiven Wirkung von Fallschirmen geht die Vergrößerung des Bodenrisikopuffers durch den bei Auslösung unkontrollierten Drift mit dem Wind einher. Es muss für jede Operation geprüft werden, ob der Vorteil der Mitigation andere Einschränkungen mit sich bringt.

M3 – Ein Emergency Response Plan (ERP) ist vorhanden, ist UAS-Betreiber validiert und effektiv

Ein Notfallplan (engl. Emergency Response Plan, ERP) gehört zur Grundausstattung eines kompetenten Betreibers. Er regelt was zu tun ist, wenn die Operation bereits außer Kontrolle geraten ist und die Auswirkungen des Ereignisses begrenzt werden sollen. Deshalb verwundert es kaum, dass eine Operation ohne ERP einen Punkt zum Bodenrisiko dazugezählt bekommt und erst mit hoher Robustheit eine Reduktion um einen Punkt erzielt werden kann.

Im Grunde enthält er klare Rollen und Verantwortlichkeiten sowie Verfahren wer im Notfall wie zu benachrichtigen ist und welche Tätigkeiten durchgeführt werden müssen. Das Ganze muss periodisch in Planspielen trainiert und die Angemessenheit überprüft werden. AMC3 UAS.SPEC.030(3)(e) Application for an operational authorisation liefert die Auflistung aller notwendigen Elemente.

Fazit

Schritt 3 der SORA beschäftigt sich – wenn gewünscht – mit der Reduktion des Bodenrisikos in verschiedenen Umgebungen. In SORA 2.0 gibt es drei Möglichkeiten die initiale Bodenrisikoklasse zu reduzieren. Die möglichen Reduktionen und ihre Auswirkung auf die Bodenrisikoklasse sind in der folgenden Tabelle aufgelistet. Die Anwendung von Mitigationen ist optional und kann bei entsprechender Bodenrisikoklasse oder Erfüllung der Sicherheitsziele entfallen. wingman führt dich durch die Mitigationen und gibt dir Tipps zur Erfüllung dieser.

Robustness
Mitigation SequenceMitigations for Ground RiskLow/NoneMediumHigh
1M1 — Strategic mitigations for ground risk0: None,
-1: Low
-2-4
2M2 — Effects of ground impact are reduced0-1-2
3M3 — An emergency response plan (ERP) is in place, the UAS operator is validated and effective10-1
Tabelle mit einer übersicht der REduktionsmöglichkeiten (EASA, JARUS)

Folgen:
Mario konnte nach seinem Bachelor und Masterstudium Luftfahrt Erfahrungen in einem Innovationslabor für Drohnen sammeln und erkannte die Herausforderungen, die mit der Einführung der EU-Drohnenverordnung in der Specific Kategorie auf Drohnenbetreiber zukommen sollten. Durch zahlreiche Anträge für Betriebsgenehmigungen meisterte er das Specific Operations Risk Assessment (SORA) und darf sein Wissen seit 2023 bei skyzr als UAS Specialist unter anderem zur Entwicklung des wingman SORA Tools einbringen. Sein größtes Ziel ist es, jeden noch so herausfordernden Drohnenanwendungsfall zu ermöglichen - daher setzt er alles daran, sein Wissen um die SORA-Methodik, Drohnenanwendungen und Risikomilderungen einer breiten Masse zugänglich zu machen.    
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